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criminivat200VON HIMMEL ZUR ERDE
 
DER VATIKAN UND DIE MAFIA
 
ICH HABE AM 9. JANUAR 2012 GESCHRIEBEN:
 
ICH WENDE MICH AN MEINE KATHOLISCHEN SPIRITUELLEN FREUNDE UND BRÜDER, UND ICH WENDE MICH AN DIE NICHTGLÄUBIGEN, DIE MIT KARDINÄLEN, BISCHÖFEN UND MIT DEM PAPST SELBST SYMPATHISIEREN.
IHR HABT MICH OFT WÄHREND ZUSAMMENKÜNFTEN UND TREFFEN AUS VOLLEM HALSE SCHREIEN HÖREN, DASS DER VATIKAN VON DEN KRIMINELLEN ORGANISATIONEN – VOR ALLEM DER COSA NOSTRA (DIE SIZILIANISCHE MAFIA) – BEEINFLUSST UND ZUM TEIL BESIEGT WORDEN IST. ANGESICHTS DIESES BERICHTS, UNTERZEICHNET VON VIVIANO UND TONACCI, DEN DIE WEBSEITE DER ZEITUNG „LA REPUBBLICA“ HEUTE VERÖFFENTLICHT HAT, GLAUBE ICH BEHAUPTEN ZU KÖNNEN, DASS ICH NICHT UNRECHT HATTE. BEI DEM FREISPRUCHSURTEIL WEGEN DES MORDES AN ROBERTO CALVI WAR AUCH DER BOSS VON COSA NOSTRA PIPPO CALÓ ANGEKLAGT UND, OBWOHL ES EIN URTEIL OHNE SCHULDIGE WAR, GIBT ES DANK DER SORGFÄLTIGEN ARBEIT DES STAATSANWALTS TESCAROLI GENUG MATERIAL, WELCHES ZWEIFELLOS BEWEIST, DASS RIESIGE GELDSUMMEN AUS KRIMINELLEM URSPRUNG ÜBER DAS IOR GEFLOSSEN SIND UND DANN WIEDER IN DEN MARKT EINGEFÜHRT WURDEN. MAN LIEST IN DEM URTEIL DES 7. MAI 2010 WORTWÖRTLICH: „COSA NOSTRA VERWENDETE DIE BANCO AMBROSIANO UND DAS IOR ALS VERKNÜPFUNGSPUNKT FÜR GEWALTIGE GELDWÄSCHETÄTIGKEITEN. DIE HERAUSGEKOMMENE NEUIGKEIT IST, DASS DIESE GESCHÄFTE AUCH DURCH VITO CIANCIMINO (EX-BÜRGERMEISTER VON PALERMO, MAFIAMITGLIED, 2002 GESTORBEN Anm.d.R.) UND EBENSO DURCH GIUSEPPE CALÒ STATTFANDEN“. AUCH DER SOHN MASSIMO CIANCIMINO, DER IM SELBEN PROZESS ANGEHÖRT WURDE, HAT BEZEUGT, DASS SEIN VATER VITO CIANCIMINO EINE ZENTRALE ROLLE IN DER WIEDEREINFÜHRUNG RIESIGER GELDSUMMEN SOWOHL FÜR SICH SELBST ALS AUCH FÜR DEN CLAN CORLEONESI GESPIELT HAT.
NUN FRAGE ICH MICH: WARUM LÄSST DER PAPST BENEDIKT XVI. ODER EIN VON IHM AUSERWÄHLTER VIKAR SICH NICHT AUF EINE ANTWORT AUF ALL DIE RECHTSHILFEERSUCHEN HERAB, DIE DIE ITALIENISCHEN JUSTIZBEHÖRDEN EINGEREICHT HABEN? WIE IST DIE STELLUNG DER HEILIGEN KIRCHE ANGESICHTS DES URTEILS EINES ITALIENISCHEN GERICHTS? UND WIE IST DIE REAKTION VIELER GLÄUBIGEN ANGESICHTS SOLCH SCHRECKLICHER, SOGAR FÜR DIE NICHTGLÄUBIGEN ANTICHRISTISCHER WAHRHEITEN?
GOTT SEI DANK BESTEHT DIE KATHOLISCHE KIRCHE NICHT NUR AUS IN MAFIA- UND GELDWÄSCHEGESCHÄFTE VERWICKELTE MENSCHEN, SONDERN AUCH AUS HEILIGEN MISSIONAREN DES EVANGELIUMS WIE DON CIOTTI ODER PATER ZANOTELLI, ABER ES REICHT TROTZDEM NICHT!
ZU ALLERERST MÜSSEN WIR GLÄUBIGEN NACH EINER REFORMATION, EINER SÄUBERUNG UND EINER ECHTEN LÄUTERUNG DER HÖCHSTEN SPITZEN DER KIRCHE FRAGEN UND DANACH VERLANGEN, WENN WIR WOLLEN, DASS SIE SICH DER WELT SAUBER UND TRANSPARENT VORSTELLT. DENN WER GLAUBT, WEIß, DASS EIN GEWISSER JESUS CHRISTUS „WIE EIN DIEB IN DER NACHT“ KOMMEN UND „DIE HÄNDLER IM TEMPEL“ ZUR RECHENSCHAFT ZIEHEN KÖNNTE.
 
GIORGIO BONGIOVANNI
 
DAS IOR – DAS STILLSCHWEIGEN DES VATIKANS
 
Die Staatsanwaltschaft Roms hat zwischen 2002 und 2008 drei Rechtshilfeersuchen bei der Vatikanbehörde eingereicht, unerlässlich um den über einige Geheimkonten des IOR („Institut für die religiösen Werke“) geflossenen Geldfluss zu rekonstruieren. Die Ermittlung entstand aus dem Prozess wegen des Mordes an Roberto Calvi, Präsident der Banco Ambrosiano, der im Juni 1982 in London erhängt gefunden wurde. Aber die Kirche antwortet bis heute nicht darauf.  
DREI RECHTSHILFEERSUCHEN WEGEN GELDWÄSCHE,
ABER DER HEILIGE STUHL ANTWORTET NICHT
Von Fabio Tonacci und Francesco Viviano
 
Aus der Ermittlung über den Mord an Roberto Calvi entstehen für den Vatikan eine Reihe peinlicher Fragen in Bezug auf die Beziehungen des IOR zu der Mafia und der Kriminalität, auf die nie eine Antwort gegeben wurde. Die neue Ministerin Severino muss nun die Rechtshilfeersuchen wieder einreichen. Die Katholische Kirche sollte dieses Mal antworten, es geht um den Prozess, um auf die Liste der „finanziell vertrauenswürdigen Staaten“ zu kommen, und um den Wunsch des Papstes nach neuer Transparenz.
ROM – Die drei Ersuchen bringen den Heiligen Stuhl in Verlegenheit und könnten einen schweren diplomatischen Zwischenfall mit der italienischen Regierung verursachen. Die Staatsanwaltschaft Roms hat zwischen 2002 und 2008 drei Rechtshilfeersuchen bei der Vatikanbehörde eingereicht, unerlässlich um den über einige Geheimkonten des IOR („Institut für die religiösen Werke“) geflossenen Geldfluss zu rekonstruieren. Die Ermittlung entstand aus dem Prozess wegen des Mordes an Roberto Calvi, Präsident der Banco Ambrosiano, der im Juni 1982 in London unter der Brücke Blackfriars ("Schwarze Mönche") erhängt gefunden wurde.
Von dem Vatikan wurden Bankdokumente und vertrauliche Akten beantragt, welche auf die dunkelste Vergangenheit der „Bank Gottes“ zurückgehen: die Skandale Sindona und Calvi; der Bankrott der Banco Ambrosiano; die Milliarden mit dubioser Herkunft, die vor der Steuerbehörde geheim gehalten und unter der Leitung von Monsignor Paul Marcinkus, von 1971 bis 1989 Präsident des IOR, 2006 gestorben, ins Ausland geschickt wurden. Trotz der Fortschritte des Heiligen Stuhls im Rahmen der finanziellen Transparenz pendeln die Rechtshilfeersuchen – d.h. die Ersuchen nach Zusammenarbeit im Bereich der Justiz, um Gerichtsverfahren außerhalb des nationalen Zuständigkeitsgebietes (in diesem Fall zwischen Italien und dem Vatikanstaat) durchzuführen – innerhalb der Kirchenmauern von einem zum anderen Amt ohne Antwort hin und her.
Ein zehnjähriges Schweigen, das den römischen Staatsanwalt Luca Tescaroli, Ermittler im Fall Calvi, dazu getrieben hat, am 16. Dezember der neuen Justizministerin Paola Severino zu schreiben, damit diese offiziell etwas gegen die Kirchenregierung unternimmt und „die Erledigung der Rechtshilfen fordert“. Ein „diplomatisches Problem” für die italienische Regierung, die zwischen zwei Notwendigkeiten eingezwängt ist: Zum einen gute Beziehungen zum Vatikan zu pflegen, zum anderen aber auch konkrete Signale in Bezug auf die Geldwäsche- und Steuerhinterziehungsbekämpfung zu senden.
Gerichtliche Tatsache ist, dass Cosa Nostra einen Teil ihres Kapitals auf dem IOR und auf der Banco Ambrosiano versteckt hat – wie das Schwurgericht zweiter Instanz Roms in dem Urteilsspruch des 7. Mai 2010 festgestellt hat, mit dem Giuseppe „Pippo“ Calò, Ernesto Diotallevi und Flavio Carboni, Angeklagte wegen des Mordes an Calvi, in vollem Umfang freigesprochen wurden. Das Gericht verkündete: „Cosa Nostra verwendete die Banco Ambrosiano und das IOR als Verknüpfungspunkt für gewaltige Geldwäschetätigkeiten. Die herausgekommene Neuigkeit ist, dass diese Geschäfte auch durch Vito Ciancimino (Ex-Bürgermeister von Palermo, Mafiamitglied, 2002 gestorben, Anm.d.R.) und ebenso durch Giuseppe Caló stattfanden“. Sogar Massimo Ciancimino, Vitos Sohn, hat oftmals von verdächtigen Banktransaktionen und Beziehungen seines Vaters zu hohen geistlichen Würdenträgern des IOR erzählt. Daher wird deutlich, weshalb die drei “nie erledigten” Rechtshilfeersuchen eine andere neue Bedeutung für die Ermittlungen annehmen.
Mit dem ersten Ersuchen des 28. November 2002 fragte die Staatsanwaltschaft den Vatikan danach, „die Geldflüsse im Zeitraum von 1976 bis 1982 zu überprüfen“, die zwischen dem IOR und verschiedenen italienischen und ausländischen Banken sattfanden: wie z.B. Banco di Sicilia, Sicilcassa di Palermo, Banco Ambrosiano (italienische und ausländische Niederlassungen), Banca del Gottardo in der Schweiz und das damit verbundene Netz von Gesellschaften in Perù, Argentinien, Nicaragua, Luxemburg, Venezuela und auf den Bahamas. Man fragte auch danach zu überprüfen, ob „sich in dem Kundenverzeichnis des IOR die Namen von in den Ermittlungen verwickelten Personen befinden“ und man fragte danach zu identifizieren, „welche Gesellschaften im Zeitraum 1975-1982 auf das IOR zurückführbar waren“, „welche Gesellschaften am Anhäufen von Aktien der Banco Ambrosiano interessiert waren“ und welche Transaktionen „auf die Gesellschaft "Inecclesia" (eine Finanzgesellschaft Venezuelas, Anm.d.R.) zurückführbar“ waren. Der Heilige Stuhl soll im Grunde akzeptieren, dass eine 30 jahrelang versiegelte Schublade geöffnet wird und dass das Netz von Tätigkeiten und Finanzierungen des „Instituts für die religiösen Werke” enthüllt wird, welche jahrelang mit dem Status eines „autonomen Subjekts in einem Staat außerhalb der EU“ versteckt wurden, steuerlich nicht ganz klar und außerhalb der internationalen Regelungen im Bankbereich.
Mit dem zweiten Ersuchen des 23. Januar 2004 forderte der italienische Staatsanwalt, die „Fernschreiben in Bezug auf die von Calvi ins Ausland durchgeführten Transaktionen durch Strukturen der Vatikanstadt“ kontrollieren zu können. Wenige Tage vor seinem Tod schrieb Calvi zwei Briefe, die an den Papst Johannes Paul II. und den Kardinal Pietro Palazzini, damaliger Kardinalpräfekt der Kongregation für die Heiligsprechungen, gerichtet waren. Mit dem letzten Ersuchen des 20. November 2008 möchte man feststellen, ob und wann die zwei mit Schreibmaschine geschriebenen Briefe von den Empfängern erhalten wurden. Ihr Inhalt ist widersprüchlich und manche behaupten, er sei nicht wahr: Calvi schreibt, er habe Angst und sei verzweifelt, weil er sich „gejagt” fühle – er beschreibt eingehend einige „peinliche” Finanztransaktionen, die er heimlich im Auftrag hoher Geistlicher ausgeführt habe.
Die Fragen der römischen Staatsanwaltschaft wurden bis heute nicht beantwortet. Der Mangel an Zusammenarbeit könnte den Vorgang abbrechen, durch den der Vatikan auf die „white list” der „finanziell vertrauenswürdigen Staaten“ kommen möchte. Der Vorgang begann im Jahr 2009, als der Vatikanstaat das Währungsabkommen mit der EU unterzeichnete, und es wird Mitte des Jahres 2012 einen weiteren Fortschritt geben: Eine Gruppe von Experten wird dem Europarat einen Bericht darüber vorstellen, wie der Kirchenstaat sich an das System der Geldwäschebekämpfung angepasst hat. Genau aus diesem Grund erließ Papst Benedikt XVI. am 30. Dezember 2010 das Gesetz N.127, das ab April dieses Jahres in Kraft tritt. Es bekämpft die Geldwäsche und die Terrorfinanzierung. Im Artikel 41 liest man, dass die neugeborene Behörde der vatikanischen Finanzaufsicht AIF „Informationen über verdächtige Operationen mit Behörden ausländischer Staaten, die dieselben Ziele der Geldwäscheprävention und -bekämpfung verfolgen, austauscht und mit ihnen zusammenarbeitet“. Aber bis jetzt ist nichts davon realisiert worden.

DIE STAATSANWALTSCHAFT ROMS ERMITTELT GEGEN DAS IOR IN DEUTSCHLAND
Rechtshilfeersuchen, um die Geldtransaktionen des Vatikans zu erfahren
von Marco Lillo

Die Staatsanwaltschaft Roms ermittelt gegen die Vatikanbank, das IOR, in Deutschland. Das ist der letzte Coup, auf einer Seite die Staatsanwälte Nello Rossi und Stefano Rocco Fava und auf der anderen der Präsident und der Generaldirektor des IOR, bzw. Ettore Gotti Tedeschi und Paolo Cipriani. Gegen die letzten beiden wurde im September 2010 wegen des Verstoßes gegen das Gesetz der Geldwäschebekämpfung ermittelt.
Wir sind tatsächlich vor einer Schachpartie, die sich schon über eineinhalb Jahre hinzieht und jetzt auf einer internationalen Bühne gespielt wird. Während der Vatikan verzweifelt versucht, die Inspektoren der internationalen Organisation Moneyval zu überzeugen, um aus der grauen Liste der “finanziell wenig vertrauenswürdigen” Staaten austreten zu können, war das Expertenkomitee für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche letzte Woche in Rom. Die italienischen Staatsanwälte folgten den Spuren der dunklen Finanzen bis nach Deutschland, wo das IOR sich verschanzt hat. Man will alles über die Überweisungen des IOR-Kontos auf die JPMorgan in Frankfurt wissen und daher hat der Justizminister ein internationales Rechtshilfeersuchen an die deutschen Behörden eingereicht.
Die deutschen Bundesbehörden haben vor vier Monaten ihre Zusammenarbeit durch eine höfliche, aber entschlossene Antwort verweigert, wahrscheinlich eher wegen politischer als technischer Gründe. Die römischen Staatsanwälte haben sich nicht geschlagen gegeben und versuchen denselben Zweck auf einem anderen Weg zu erreichen: das UIF, „l’Unitá di Informazione Finanziaria della Banca d’Italia“ (Amt für Finanzinformationen der Banca d´Italia, Anm.d.Übers.), das das Ersuchen schon an die entsprechende deutsche Anstalt eingereicht hat.
Um den Grund für so viel Interesse an der JPMorgan-Filiale in Frankfurt zu verstehen, muss man eine Tatsache betrachten: Nach zehn Jahren sehr guter Beziehungen hat das IOR entschieden, die Geschäfte mit unseren Banken drastisch bis fast auf null zu reduzieren. Eigentlich liegt der Grund dieser Entscheidung nach Meinung der italienischen Ermittler darin, dass unsere Behörden das Gesetz der Geldwäschebekämpfung nun ganz anders anwenden. Das IOR handelt oft nicht wie eine Bank sondern tatsächlich wie eine Treuhandgesellschaft, indem sie die wirklichen Inhaber seiner Konten abschirmt. Ein klares Beispiel sind die neun Überweisungen von 225 000 Euro, die von einem IOR-Konto zu einer mafianahen Gruppe in Catania geschickt wurden. Das Geld war der Ertrag eines Betrugs, aber dank der „höflichen“ Hilfe seitens eines Priesters, Verwandter eines Mafioso, konnte es in Catania unter dem Deckmantel eines IOR-Kontos ankommen.
Die Staatsanwaltschaft Roms wurde sofort aktiv, als sie entdeckt hat, dass der Trick immer wieder benutzt wurde, wenn jemand den Ursprung des eigenen Geldes verbergen wollte, und das alles dank der Hilfe eines befreundeten Priesters.  
Plötzlich hat das IOR 2010 die Pflicht gegen Gelwäsche entdeckt. Das alles kam am 6. September 2010 ans Licht, als die Vatikanbank, von Ettore Gotti Tedeschi geleitet, der Bank Credito Artigiano angeordnet hat, 23 Millionen zu überweisen – 20 Millionen an die JPMorgan in Frankfurt und 3 Millionen an die Banca del Fucino. Das IOR verlangte, dass die italienische Bank die vom italienischen Gesetz gegen Geldwäsche geforderten Mitteilungen unterlasse. Aus diesem Grund haben die italienischen Justizbehörden das Geld beschlagnahmt und ermitteln gegen den Präsidenten und den Generaldirektor des IOR. Nur ein direkter Eingriff des Papstes konnte das Geld im Dezember 2010 freigeben. Das neue Vatikangesetz gründete die AIF, Behörde der vatikanischen Finanzaufsicht. Die AIF hätte mit dem italienischen UIF zusammenarbeiten müssen, da die AIF eigene Aufsichtsgewalten über das IOR und andere vatikanische Anstalten ausüben könnte.
Am Anfang lief alles gut: Das UIF reichte ein erstes Informationsersuchen ein und erhielt sofort eine Antwort von der AIF – deren Präsident der angesehene Kardinal Attilio Nicora ist. Um diesen positiven Wendepunkt zu belohnen, haben die römischen Staatsanwälte im Juni 2011 ihre Zustimmung zur Freigabe der 23 Millionen gegeben. Aber als das Problem behoben war, war alles vergessen: Das IOR hat der AIF keine Informationen mehr in Bezug auf die Transaktionen erteilt, die vor April 2011 stattfanden, denn erst ab diesem Datum ist das Gesetz der Geldwäschebekämpfung in Kraft getreten.
Am 25. Januar tauchte dann eine neue Wendung auf. Auf Anraten des vatikanischen Staatssekretärs Tarcisio Bertone erließ der Vatikan eine Verordnung, wegen der die AIF die Aufsichtsgewalten verliert und diese dem vatikanischen Staatssekretariat übergeben werden.
Inzwischen erlegt die italienische Zentralbank allen italienischen Banken die Pflicht auf, vom IOR die Namen der wirklichen Inhaber des überwiesenen Geldes zu verlangen. Daher verliert die Vatikanbank plötzlich das Interesse an Italien. Durch eine Reihe vieler Millionen Euro schweren Überweisungen verlässt das Geld des Vatikans die italienischen Banken, wie z.B. Unicredit – die ehemalige Banca di Roma –, und fliegt nach Frankfurt in die JPMorgan-Bank.
Um die Millionen Euro schweren Überweisungen auszuführen, welche die Tätigkeiten der Kongregationen versorgen, nutzt das IOR ein Konto bei der einzigen Filiale der amerikanischen Bank JPMorgan in Italien. Es ist das Konto 1365 bei der JPMorgan-Filiale in Mailand, das auf eine besondere Art funktioniert: Aufgrund einer Vertragsklausel muss der Tagessaldo immer auf null gebracht werden und der gesamte Kontoinhalt wird auf das IOR-Konto in Frankfurt überwiesen. Das ist de facto das trojanische Pferd, mit dem das IOR in Italien handelt – der gesamte Bankverkehr innerhalb von eineinhalb Jahren übertrifft 1,5 Milliarden. Die römischen Staatsanwälte entdecken den Betrug im Oktober und bitten das UIF – l'Unità di informazione finanziaria della Banca d'Italia (Amt für Finanzinformationen der Banca d´Italia, Anm.d.Übers.) – einzugreifen. Die Inspektoren der italienischen Zentralbank Banca d´Italia erbitten Informationen über die wirklichen Inhaber des vom IOR überwiesenen Geldes. JPMorgan gibt dem IOR die Ersuchen weiter und dieses antwortet mit Stillschweigen. Um Probleme zu vermeiden, teilt JPMorgan dem IOR am 15. Februar mit, dass sein Konto ab dem 30. März 2012 endgültig geschlossen wird. Daher hat sich die Vatikanbank nach Frankfurt, in das Land von Papst Ratzinger, zurückgezogen. Aber die römischen Ermittler sind bis dahin gekommen.
Quelle: IL FATTO QUOTIDIANO, 21. MÄRZ 2012
 
Untersuchungen: Chef der Vatikanbank
unter Geldwäsche-Verdacht
 
Sie heißt offiziell "Institut für die religiösen Werke" - doch jetzt gerät die Vatikanbank in den Fokus der Justiz. Laut Agenturberichten ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Chef der päpstlichen Hausbank. Der Verdacht: Geldwäsche.
Bank-Chef Tedeschi: Im Visier der Ermittler
Rom - Gegen den Chef der Vatikanbank IOR wird wegen Geldwäsche ermittelt. Entsprechende Untersuchungen seien von der Staatsanwaltschaft in Rom gegen Ettore Gotti Tedeschi und einen weiteren Topmanager des Instituts eingeleitet worden. Das berichteten die Nachrichtenagenturen Reuters und AP unter Berufung auf Justizkreise und die italienische Agentur Ansa. Das Büro Tedeschis wollte sich zunächst nicht dazu äußern. In einer ersten Reaktion zeigte sich der Vatikan "überrascht".
Ins Blickfeld der Ermittler gerieten zwei Kontobewegungen, die vom Kontrollorgan der italienischen Nationalbank bereits am 15. September blockiert wurden. Die IOR hatte die Bank Credito Artigiana angewiesen, zwei Überweisungen von insgesamt 23 Millionen Euro an die Banca del Fucino und an die JP Morgan Frankfurt zu tätigen.
Die Vatikanbank, offiziell "Institut für die religiösen Werke" genannt, war zuletzt 1982 in einen größeren Skandal verwickelt. Damals war das Geldhaus in den betrügerischen Bankrott der Banco Ambrosiano, der größten Privatbank Italiens, involviert. Ihr Chef Roberto Calvi, wegen seiner engen Verbindungen zum Vatikan als "Gottes Banker" bekannt, wurde später erhängt unter der Blackfriars' Bridge in London gefunden.
Erst vor einem Jahr trat Ettore Gotti Tedeschi das Amt als Chef an - er sollte die Vatikanbank transparenter machen. Mit dem Enthüllungsbuch "Vatikan AG" über die schmutzigen Geldgeschäfte der Vatikanbank hatte im vergangenen Jahr der italienische Autor Gianluigi Nuzzi für Aufsehen gesorgt.
Nuzzi sagte in einem Interview mit der "Welt", die unzensierten Dokumente, die er von einem Informanten bekommen habe, würden belegen, dass Politiker wie Giulio Andreotti und Mitglieder der Mafia über Jahrzehnte Gelder mit Hilfe der Vatikanbank wuschen.
Die Vatikanbank IOR wurde 1942 gegründet und ist die Hausbank des Heiligen Stuhls, der Vatikanstadt sowie zahlreicher Diözesen, Orden und Wohlfahrtsverbände. Das Institut betreibt die klassischen Bankgeschäfte, hat Anteile an verschiedenen anderen Kreditinstituten und ist seit den siebziger Jahren auch im internationalen Investmentgeschäft tätig.
Die IOR-Aktivitäten und deren Bilanz unterliegen absoluter Geheimhaltung. Schätzungen zufolge beträgt das Aktivvermögen etwa fünf Milliarden Euro.
 
Tod eines Bankiers
Von Schlamp, Hans-Jürgen
 
Unter einer Themsebrücke starb 1982 Roberto Calvi, "der Bankier Gottes". Nun will ein römisches Gericht einen der mysteriösesten Kriminalfälle des 20. Jahrhunderts endlich aufklären. In den Skandal ist auch der Vatikan verwickelt.
Ein Motorboot huscht über das dunkle Wasser der Themse. Leer und verlassen liegt die Black Friars Bridge, die Brücke der "Schwarzen Mönche", wie die Dominikaner hier genannt werden. Es ist fast zwei Uhr nachts, auch in London lässt der Verkehr um diese Zeit nach. Wie ein Schatten schiebt sich das kleine Boot unter die Brückenpfeiler. An Bord: Roberto Calvi und seine Henker.
Noch ist Calvi nicht tot. Mit einem rotorangenen Tau haben sie ihn gewürgt, bis er bewusstlos wurde, und dann aufs Boot verfrachtet. Mit demselben orangefarbenen Tau binden sie jetzt seinen Hals an ein Baugerüst unter der Brücke. Zwei Männer halten ihn am Bootsrand aufgerichtet, so als ob er stünde, bis der Dritte seiner Peiniger den Motor aufdreht und das Boot anfährt: Mit einem Ruck geht Calvi über Bord, mit einem Ruck schließt sich die Schlinge um seinen Hals. Seine nicht wasserdichte Patek-Philippe-Armbanduhr bleibt um 1.52 Uhr stehen.
Den Körper bis zum Bauch im schmutzig-kalten Themsewasser, die Taschen seines grauen Anzugs ausgebeult von Ziegelsteinen und Zementbrocken, so entdeckt ihn am nächsten Morgen, am 18. Juni 1982, kurz vor acht Uhr, der Londoner Postbeamte Anthony Huntley auf seinem Weg zur Arbeit.
"Selbstmord", befanden Britanniens Behörden nach der Autopsie der Leiche. Keine Giftreste, keine Spuren von Rauschmitteln. Auch keine Kampfspuren oder Würgemale, nur der Abdruck jenes orangefarbenen Taus, an dem sich, so sah es aus, der Bankier Calvi selbst erhängt haben musste - aus Verzweiflung über sein berufliches Desaster.
Als die Tageszeitungen den "Selbstmord" vermeldeten, gab es in Palermo, im Hauptquartier der sizilianischen Mafia, "ein großes Gelächter", enthüllte jetzt nach gut 20 Jahren der frühere Cosa-Nostra-Spitzenmann Antonio Giuffrè. Auf diese Art einen Mord als Selbstmord zu tarnen, sei damals eine beliebte und erfolgreiche Mafia-Technik gewesen.
Nach zwei Jahrzehnten ist auch die Gerichtsmedizin einen wichtigen Schritt weiter und kann belegen: Calvi kann sich nicht selbst erhängt haben. Der beleibte, unsportliche Bankier hätte kaum je das Baugerüst unter der Brücke erreichen können, zumindest aber hätte er Spuren der Rostfarbe an den Händen und am Anzug haben müssen. Die gab es aber nicht. Minutiös rekonstruierten Gutachter-Teams - dabei ein Deutscher, der Rechtsmedizin-Professor Bernd Brinkmann - die letzten Minuten in Calvis Leben. Die etwa fünf Kilogramm Ziegel- und Betonbrocken in seinen Jackentaschen, so fanden die Wissenschaftler heraus, waren auf einer Baustelle aufgeklaubt worden, von der Calvi, hätte er sie denn betreten, spurenübersät gewesen wäre. Das war er aber nicht. Nicht einmal an den Fingern fanden sich Bauschuttspuren. Auch das orangefarbene Tau, bewiesen die Experten, hatte Calvis Hände nie berührt. Stattdessen war es, das verrieten schwache Druckspuren unter dem Mikroskop, dem Opfer zweimal um den Hals gelegt worden.
Für die römischen Staatsanwälte Maria Monteleone und Luca Tescaroli lassen die Gutachten keinen Zweifel mehr, dass Calvi erhängt wurde. 160 000 Seiten Beweismaterial haben sie zusammengetragen. Neue Zeugen haben sie gefunden, vor allem Mafia-Bosse, die mit der Justiz kooperieren, und nun sagen, was sie über den Calvi-Mord wissen. Nun soll ein römisches Gericht das Dunkel endlich lichten.
Auch Scotland Yard hat seine längst archivierten Ermittlungen wieder aufgenommen. Manchem scheint das allerdings gar nicht zu schmecken. Als Scotland-Yard-Officer Paul Bernard Matthew im April 2004 zweimal nach Rom zum Faktenaustausch flog, wurde ihm beim ersten Besuch sein Laptop aus dem Hotelzimmer gestohlen. Als das Gerät später bei einem Hehler aufgespürt wurde, war die Festplatte mit den Daten zum Fall Calvi komplett gelöscht. Beim zweiten Trip, eine Woche später, nahmen Profi-Diebe Matthew die Aktentasche schon am römischen Hauptbahnhof ab.
In den Fall Calvi sind Bankiers und Politiker, Kirchenmänner und Industrielle verstrickt. Die Beziehungen und Kontakte des Geldmannes reichten bis hin zu Italiens heutigem Regierungschef Silvio Berlusconi und in den Vatikan. Calvi war nicht irgendein Banker. Sein Geldinstitut Banco Ambrosiano wusch Drogengelder des kolumbianischen Medellín-Kartells, sponserte Politiker und finanzierte illegale Aktivitäten der Kirchenzentrale, etwa zur Unterstützung der polnischen Solidarnosc-Bewegung. Calvi war, wie Italiens Premier Berlusconi, Mitglied der rechtsradikalen Geheimloge "Propaganda 2" (P2), und er machte zur gleichen Zeit Geschäfte mit dem heutigen Regierungschef und der sizilianischen Cosa Nostra.
Er musste sterben, so Staatsanwalt Tescaroli,
* weil er Mafia-Gelder veruntreut oder verspekuliert hatte;
* damit auch nach dem drohenden Zusammenbruch des Banco Ambrosiano seine Kunden und Geschäftspartner ungefährdet blieben und ihre profitablen Geschäfte weiterlaufen konnten;
* um zu verhindern, dass Calvi seine Drohung wahr machte, führende Politiker und hohe Vatikan-Würdenträger zu erpressen.
Die mutmaßlichen Mörder Calvis sind für die Justiz jedoch nicht greifbar: Zwei der drei dringend Tatverdächtigen sind tot. Mafia-Killer Sergio Vaccari wurde drei Monate nach dem Calvi-Mord in seiner Londoner Wohnung mit eingeschlagenem Schädel und zerstochenem Körper aufgefunden. Seinen Kumpel und mutmaßlichen Mittäter, Vincenzo Casillo, zerfetzte bald darauf in Rom eine Autobombe.
Nur der, möglicherweise, dritte Mann im Boot lebt noch. Er hat seine Ex-Kumpane preisgegeben, beteuert selbst seine Unschuld und kollaboriert mit den Antimafiaeinheiten des italienischen Sicherheitsapparats. Im Gegenzug wird er von denen wie ein Juwel gehütet - auch vor den Ermittlungen von Staatsanwälten.
Die halten sich deshalb an die Hintermänner. Angeklagt sind der sizilianische Unterweltpate Giuseppe Calò, 73, und sein römischer Partner Ernesto Diotallevi, 61, sowie der sardische Geschäftsmann Flavio Carboni, 73, und dessen damalige Mätresse Manuela Kleinszig, zur Tatzeit 21. Sie sollen gemeinsam den Mord organisiert, das Opfer in die Falle gelockt, die Killer engagiert haben. Alle Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.
Von besonderem Interesse ist Flavio Carboni. Der war über Jahrzehnte ein schillernder Repräsentant der italienischen Business- und Glamour-Welt mit guten Beziehungen zur Politik und Kontakten zur Mafia.
In den siebziger Jahren kreuzten sich Carbonis Wege mit denen des Bankiers Roberto Calvi. 1947 hatte er beim kleinen, feinen, privaten Mailänder Geldinstitut Banco Ambrosiano seine Karriere begonnen. Eine Bank mit hohem moralischen Anspruch: Nur geprüfte Katholiken, mit bestem Leumund beim Pfarrer, waren hier willkommen. Alles war gediegen, penibel - bis Calvi 1971 zum Generaldirektor aufstieg und das betuliche Institut von Grund auf umkrempelte.
Er gründete eine Tochtergesellschaft in Luxemburg, die legte sich Dependancen in Zürich, auf den Bahamas und in weiteren Finanzparadiesen und Steueroasen zu. Riesige Geldmengen unklarer Herkunft strömten in die Bank. Ende 1981 war Ambrosiano die größte Privatbank Italiens.
Als ausgesprochen fruchtbar erwies sich vor allem die Partnerschaft Calvis zu einem gewissen Michele Sindona. Der - Anwalt, Steuerberater und Eigentümer der Banca Privata Italiana in Mailand, der Finabank in Genf und der amerikanischen Franklin-Bank - hatte beste Kontakte zum Vatikan, insbesondere zu Erzbischof Paul Casimir Marcinkus. Der aus den USA stammende, hünenhafte Kirchenmann organisierte die Reisen des Papstes und begleitete ihn oft als eine Art Bodyguard. Vor allem aber diente er dem Heiligen Vater als Chef des IOR, des "Instituts für die religiösen Werke", der vatikaneigenen Bank.
Die hatte in jenen Jahren heikle Aufträge zu erledigen. Papst Paul VI., das damalige Katholikenoberhaupt, wollte nur ungern die 20 Prozent Quellensteuer zahlen, die der römische Fiskus von den Einnahmen des kirchlichen Wirtschaftsimperiums in Italien abforderte. Er gab Order, die Italien-Anlagen aufzulösen und in andere Länder zu transferieren. Weil das gegen das italienische Devisenrecht verstieß, wurde Sindona eingeschaltet. Der machte aus Lire Dollar und Schweizer Franken, legte IOR-Kirchengelder hochspekulativ in den USA an. Und er verschaffte Erzbischof Marcinkus Millionen, so behauptete später ein Sindona-Vertrauter, "als Provision". Marcinkus war nie bereit, sich zu äußern.
Sindonas zweiter Großkunde neben dem Vatikan war ebenso katholisch, aber weniger gut beleumundet: Die sizilianische Cosa Nostra wusch Teile ihrer Einnahmen aus Prostitution, Heroin- und Waffenhandel in seinem Bankennetz.
Am Weihnachtsabend 1969, bei einem festlichen Essen in der römischen Wohnung des Anwalts Umberto Ortolani, beschlossen Sindona und Calvi fortan zusammenzuarbeiten. Mentor der Veranstaltung war Licio Gelli, Großmeister der Geheimloge Propaganda 2. Gelli versprach politische Rückendeckung für riskante Geschäfte jenseits der Rechtsordnung sowie Schutz vor einem Eingreifen der Justiz. Die Bankiers stellten im Gegenzug Geld für Politiker und Parteien in Aussicht.
In Italien lief alles bestens, in den USA dagegen krachte Sindonas fragiles Finanzimperium bald zusammen und er landete dort im Gefängnis. Calvi machte allein weiter, übernahm Sindonas Kunden, in Sizilien wie im Vatikan, und legte immer größere Mengen von Unterweltscheinen und Kirchenpfennigen an.
Die wiederholten, hohen Zuwendungen an die polnische Solidarnosc-Bewegung für ihren Kampf gegen den Kommunismus etwa kamen nach Aussage von Calvis ehemaligem persönlichen Referenten Francesco Pazienza direkt aus dem Vatikan, von Marcinkus. Im Kirchenstaat regierte inzwischen ein Pole: Johannes Paul II.
Aber auch im 0,44-Quadratkilometer umfassenden Katholikenreich waren die Geschäfte des Erzbischofs nicht unumstritten. Vor allem Außenminister Kardinal Agostino Casaroli missbilligte Marcinkus' Finanzgebaren und versuchte vergebens, es zu hintertreiben.
Auch Roberto Rosone, Calvis Vize und Nachfolger, berichtete später, bei einer Vernehmung im August 2002, von den Solidarnosc-Überweisungen - und von noch ganz anderen seltsamen Geschäften. Über den Banco Andino, eine 100-prozentige Ambrosiano-Tochter, sei man sogar an einem Maxi-Kredit für die argentinischen Militärs zur Vorbereitung des Falkland-Krieges beteiligt gewesen. Ob auch diese Geldspritze für die Latino-Diktatoren aus dem Kirchenreich kam, wusste der Zeuge nicht zu sagen, nur ganz generell behauptete er: "Der Vatikan hatte praktisch alles in der Hand."
Aber Calvi machte, wie man heute weiß, mit vielen Partnern Geschäfte. Sein Sohn Carlo erzählte in einem Interview mit der Tageszeitung "la Repubblica" am 13. Oktober 2002 von Geschäften mit dem inzwischen reichsten und mächtigsten Mann Italiens: Die Gelder, mit denen Silvio Berlusconis Fininvest-Imperium aufgebaut wurde, seien zum Teil von Ambrosiano-Konten geflossen, vor allem vom Banco Ambrosiano Bahamas. Und von einem fröhlichen Treffen mit Marcinkus auf den Bahamas habe Roberto Calvi, wie sein Sohn behauptet, im Dezember 1976 eine zukunftsfrohe Botschaft heimgebracht: "Wir werden die TV-Aktivitäten von Silvio Berlusconi finanzieren." Berlusconi hat es stets abgelehnt, sich zur Herkunft der frühen Fininvest-Gelder zu äußern.
Doch trotz des Beistands feinster Adressen - es ruhte kein Segen auf Calvis Geschäften. Seine Bilanzen färbten sich rot, er verspekulierte sich, zweigte womöglich Millionen für den Eigenbedarf oder fürs Alter ab. In dem undurchsichtigen Geflecht seiner Off-Shore-Institute verschwinden Millionen. Seine Kunden, allen voran die Mafia, machen sich Sorgen.
Im März 1981 fällt auch noch Calvis politischer Schutzpatron aus. Im Zuge der italienischen Ermittlungen gegen den in den USA inhaftierten Sindona macht die Polizei eine überraschende Razzia in der Villa des P2-Großmeisters Gelli. Der kann, von Freunden im Sicherheitsapparat gewarnt, zwar noch knapp entwischen und sich nach Südamerika absetzen. Aber das Geheimarchiv der Loge, Mitgliederlisten, Dossiers über die Top-Etage aus Wirtschaft, Politik und Militär fallen der Justiz in die Hände. Es gibt einen Skandal, die Regierung unter Arnaldo Forlani tritt zurück. Und auf der Basis des Logen-Fundes eröffnet die Justiz eine Serie von Gerichtsverfahren. Eines davon trifft Calvi: Im Juli 1981 wird er wegen Bank- und Devisenvergehen zu vier Jahren Haft verurteilt.
Noch einmal kommt er glimpflich davon. Nach einem Selbstmordversuch kann er die Haft gegen Hausarrest tauschen. Im Herbst darf er, dank seiner mächtigen Freunde, an die Spitze des Banco Ambrosiano zurück. Die finanzielle Misere vertuscht ein "Patronatsbrief" von IOR-Chef Erzbischof Marcinkus. Den nimmt die Bankenwelt als Sicherheit für weitere Millionenkredite an den "Bankier Gottes". Aber niemand sieht besser als der, dass das Ende nahe ist, zumindest wirtschaftlich.
Je größer die Löcher in Calvis Bankbilanzen werden, desto deftiger geht er seine Geschäftspartner nun um "fresh money" an, um sein Lebenswerk zu retten. In Briefen an den Vatikan droht er unverhohlen, er werde "auspacken", wenn man ihn hängen lasse. Der Fehlbedarf summiert sich inzwischen auf weit über eine Milliarde Dollar und macht auch andere Calvi-Partner nervös.
Anfang 1982, so die Aussage eines sogenannten pentito, eines Mafioso, der mit der Justiz kooperiert, trifft sich die "Cupola", das oberste Cosa-Nostra-Direktorium, in einem kleinen Dorf bei Mailand und beschließt: Calvi muss weg. Anschließend, so der pentito, habe er selbst gemeinsam mit einem Kumpel zwei Geldkoffer mit insgesamt zehn Milliarden Lire (damals umgerechnet 9,2 Millionen Euro) nach Rom gebracht. Einen, so jedenfalls die nicht überprüfbare Aussage des Mafia-Zeugen, habe ein Notar bekommen, den anderen der Präsident der Vatikanbank IOR, Erzbischof Marcinkus - wofür, warum, wusste das kleine Mafia-Licht natürlich nicht.
Ende April 1982 geht es Calvis Vize Rosone ans Leder. Auf den feuert Danilo Abbruciati, Chef der Mafia-nahen Gangstergruppe "Banda della Magliana", aus einer großkalibrigen Waffe, verletzt ihn, wird dabei aber selbst von einem Wachmann erschossen. Am 9. Juni 1982 empfängt Roberto Calvi den römischen Geschäftsmann Alvaro Giardili, der ihn mit einer vertraulichen Botschaft in Angst und Schrecken versetzt: "Ihre Frau und Kinder schweben in Todesgefahr."
Tags darauf taucht Calvi ab. Er ist längst nicht mehr der Herr seiner Handlungen, sondern getrieben von der Furcht vor seinen Gläubigern und einer vagen Hoffnung, das Ruder noch einmal herumreißen zu können. Flavio Carboni, sein langjähriger Geschäftsfreund, organisiert - nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft - seine fluchtartige Abreise nach Triest. Zuvor hatte der Geschäftsmann von einem Prälaten aus dem Vatikan "den Rat" bekommen, Calvi aus Italien wegzuschaffen.
Carbonis Sekretär Pellicani begleitet Calvi nach Triest, dort werden sie vom Zigarettenschmuggler Silvano Vittor erwartet, einem guten Bekannten Carbonis. Vittor ist der Freund von Michaela Kleinszig, der Schwester von Carbonis Geliebter Manuela. Ernesto Diotallevi, ein römischer Bekannter mit Unterweltkontakten, so die Staatsanwaltschaft, besorgt einen gefälschten Pass auf den Namen "Gian Roberto Calvini". Am Abend kommt ein enger Freund Vittors dazu, Eligio Paoli, auch er Schmuggler. Er ist heute einer der wichtigsten Zeugen der Justiz für die letzten Tage im Leben Calvis.
Der Bankier sei vor allem deshalb geflohen, erzählt Paoli zum Beispiel, weil einer seiner Angestellten, Sohn eines Direktors der Vatikanbank IOR, ihm einen gefälschten Haftbefehl gezeigt habe, angeblich, um ihn zu warnen, tatsächlich, um ihn zu erschrecken. "Alle wollten, dass Calvi aus Italien verschwindet", so der Zeuge Paoli, weil er "zur Gefahr geworden" war - für den Vatikan, die Mafia und andere Geschäftspartner.
Vittor bringt Calvi, am Samstag, den 12. Juni 1982, nach Klagenfurt, ins Elternhaus der Kleinszig-Schwestern. Tags darauf geht es weiter nach Innsbruck, von dort mit einem Privatjet nach London. Am 15. Juni ziehen Calvi, der größte Privatbankier Italiens, und Vittor, der Schmuggler, gemeinsam in die schäbige Absteige Nr. 881 des Apartmenthotels "Chelsea Cloister" - eine Demütigung für den Luxus gewohnten Geldmann.
Calvi ist außer sich über "diese Absteige", die Carboni für ihn gebucht hat. Seit Tagen redet er nur davon, etwa am Telefon mit seiner Frau, dass er jetzt alles mit einer "höchst wichtigen Operation" richten, oder alles zerschlagen werde: "Nach mir die Sintflut." Die Parteien und vor allem der Vatikan stehen im Zentrum von Calvis Ausbrüchen. "Wenn ich auspacke", hatte er schon vorher seiner Tochter Anna gesagt, "dann werden die Priester den Petersdom verkaufen müssen." Kein Stein im Vatikan werde dann mehr auf dem anderen bleiben.
Es kommt anders. Am 17. Juni, Bankier Calvi ist seit Tagen unauffindbar, wird der Handel mit Ambrosiano-Aktien ausgesetzt. Die Behörden verhaften Calvis Vize Rosone, durchsuchen Büros. Seine Sekretärin, in panischer Angst, ins Gefängnis zu müssen, bringt sich um.
Calvis Freund Carboni und dessen Manuela sind inzwischen auch in London, freilich standesgemäß im Hilton-Hotel, Zimmer 2307. Gegen 17 Uhr - in Mailand endet gerade die Verwaltungsratssitzung des Banco Ambrosiano mit der völligen Entmachtung Calvis - ruft Carboni bei Calvi an, er habe ein besseres Hotel gefunden und werde ihn abholen. Kurz vor 23 Uhr, sagt Vittor, habe er Calvi verlassen. Der habe in seinem Zimmer schlecht gelaunt auf Carboni gewartet.
Ein paar Minuten später holen zwei Italienisch sprechende Männer Calvi ab. Am Hinterausgang des Hotels wartet eine dunkle Limousine.
Knapp zwei Jahre später überweist das vatikanische IOR als "freiwillige Leistung" 240 Millionen Dollar an die Ambrosiano-Bank, um deren zornige Gläubiger zu beruhigen, die sich von Marcinkus' "Patronatsbrief" geprellt fühlen. Ein Haftbefehl der römischen Staatsanwaltschaft gegen Bischof Marcinkus wird nie vollzogen, der Vatikan schickt seinen Finanzmann in die Wüste nach Arizona. Michele Sindona, Calvis Partner, wird am 20. März 1986 in seiner Gefängniszelle vergiftet aufgefunden. HANS-JÜRGEN SCHLAMP